Der Hockey Blog – Sag niemals nie

„Ich ziehe nie wieder Schlittschuhe an…

derstudent

sagte ich Anfang des Jahres 2007 zu meiner Ehefrau (damals noch meine Freundin), nachdem ich wenige Zeit vorher meine Laufbahn beendet hatte. Was war passiert? Nach der persönlich besten Saison meines Lebens (2005/06) hatte ich jegliches Interesse an dieser großartigen Sportart verloren, stand unter dem Druck meine Diplomarbeit in 3 Monaten abgeben zu müssen und hatte eine Fernbeziehung, die stark unter dem Wochenend-Rythmus der Spiele litt. Nachdem man als Eishockeyspieler in Deutschland nicht reich werden kann, hatte ich mich sehr früh entschlossen, Beruf/Schule und Sport nur in Kombination auszuüben. Zwei-Wege Vereinbarungen lassen sich als Lehrling, Praktikant oder (Werk)Student sehr gut realisieren. Sobald das Ende des Studiums naht wird es allerdings schwierig. In den meisten Fällen entwickelt sich aus der Diplomarbeit heraus ein zukünftiges Arbeitsverhältnis mit dem Auftraggeber. Das war auch mein Plan. Das Karriereende stand also mit Ende der Saison 2006/07 schon kurz bevor.

Ein vorzeitiges Ende mit Ankündigung

Viele fragten sich: „Warum hört der Hiemer im November auf, wenn am Ende der Saison sowieso Schluß gewesen wäre?“ Ein wesentlicher Grund, den der EHC München heute noch falsch darstellt (Warum auch immer?), war das sehr umstrittene Ende von Trainer Gary Prior! Natürlich ist es höchst subjektiv zu sagen, er war der beste Trainer, den ich je hatte. Aber in meinen Augen war es eben so. Viele in München sahen das wohl anders. Zuletzt erklärte mir Gary, dass er es nicht mehr weiter schaffe, gegen Windmühlen anzukämpfen. Nach einem eher durchwachsenen Freitags-Auswärtsspiel in Wolfsburg ließ er die Mannschaft wissen, dass er am Sonntag nicht an der Bande stehen werde, weil er überlegen müsse, ob er weitermachen wird oder nicht. Schon beim samstäglichen Training kündigte ich Manager Winkler an, dass ich meine Karriere sofort beenden werde, falls Gary Prior tatsächlich rausgemobbt wird. Wenige Tage später trat genau das ein. Coach Prior trat zurück. Ich war irgendwie entsetzt (obwohl man das ja im Eishockey immer wieder erlebt). Wenige Spiele absolvierte ich noch. Doch irgendwie war die Luft komplett raus. Das konnte auch der neue Trainer, ein gewisser Pat Cortina, nicht mehr ändern.

Die Diplomarbeit bekam noch mehr Fokus

Je mehr die Luft des Sports in mir entwich, desto stärker rückte die Diplomarbeit in den Vordergrund. Und die Beziehung ebenfalls. Ich riss alle Zelte in Bayern ab und zog zu meiner Frau nach Halle (Saale). Dort brachte ich die Diplomarbeit mit sehr viel Engagement zum Abschluss. Das Problem war nun, dass der Auftraggeber der Diplomarbeit seinen Sitz in München hatte. Ein halbes Jahr „home office“ von Halle aus hätte er akzeptiert. Doch dann sollte ich zurück nach München kommen. Der Lauf des Lebens floss aber anders. Ich entschied mich, und in diesem Zusammenhang viel auch der Satz „Ich ziehe nie wieder Schlittschuhe an“, in Halle zu bleiben und dort mit meiner Frau sesshaft zu werden. Ich verpflichtete mich das halbe Jahr von Halle aus noch für die Firma aus München zu arbeiten und wollte mir dann einen Job in Halle suchen. Doch die Arbeitssuche gestaltete sich als „etwas schwierig“. In Halle und Leipzig sitzen sehr viele Betriebsstätten (z.B. von Porsche, BMW, DHL oder Amazon). Als BWL-Absolvent mit Schwerpunkt Marketing liegt der Einsatzbereich allerdings in der Zentrale. Die Firmenzentralen diverser Firmen liegen jedoch in München, Stuttgart oder Berlin. Kleine Unternehmen beschäftigen häufig keine Marketing- oder Projektmanager.

Selbstständigkeit statt Arbeitslosigkeit

Das Ende vom Lied war, dass es nach einem halben Jahr der Suche immer noch keinen Job gab. Anstatt Trübsal zu blasen, besonn ich mich auf das Gewerbe, das ich während des Studiums angemeldet hatte, um diverse Auftragsarbeiten abzurechnen. Für Aufträge im Bereich Corporate Design, Projekt- oder Marketing-Management und Kommunikation gab es Referenzen. Diese Referenzen nutzte ich, um selbige Leistungen in Halle und Umgebung anzubieten. Erste Miniaufträge kamen zustande. Bis…ja bis der Weg tatsächlich wieder zurück zum Eishockey führte. Durch einen Flyer eines Gründerzentrums in Halle wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass innovative Projekte in Sachsen-Anhalt besonders betreut und gefördert werden. Das Thema der Diplomarbeit (möchte ich hier jetzt nicht auch noch erläutern) brachte mich darauf, eine Online-Software für den Profisport Eishockey zu entwickeln, mit besonderer Ausrichtung für Scouting und Saisonplanung. Zusammen mit dem Gründernetzwerk Univations wurde ein Konzept erarbeitet und Förderung beantragt. Die Förderung wurde bewilligt und alle Aufmerksamkeit galt nun dem neuen Projekt. Zielstrebig wurden Software und Businessplan erstellt. Der Verlauf war zunächst so positiv, dass im Mai 2009 die Scoutractor GmbH gegründet wurde und damit das Projet zur Firma wurde. Während der Zusammenarbeit mit unserem Betreuer von Univations ereignete sich etwas völlig unerwartetes und unvorhersehbares:

Zur Rückkehr genötigt!

Während einer Konzeptbesprechung mit dem Betreuer des Gündernetzwerkes erklärte mir dieser, dass sein bester Freund bei der zweiten Mannschaft des Hallenser Eishockeyvereins „Saale Bulls“ spiele und sich dort alle richtig freuen würden, wenn ich mal zu einem Training komme. Das kam wie ein Faustschlag in mein „Ich-spiele-nie-wieder-Eishockey-Gesicht“! An diesem Abend sass ich mit meiner Frau beim Abendessen und erklärte ihr die neuen Entwicklungen in unserem „Hallenser“ Leben. Die Antwort können sich bestimmt alle denken: „Aber Du wolltest doch nie wieder Schlittschuhe anziehen!“ Natürlich hatte ich das zwei Jahre vorher gesagt. Und irgendwie wollte ich mir treu bleiben. Der Beschluss des Abends war, dass ich nicht an besagtem Training teilnehmen werde. Die Wochen verstrichen und die nächste Konzeptbesprechung stand an. Natürlich kam sofort die Frage, ob ich denn das Training besucht hätte. Kleinlaut und irgendwie verunsichert gab ich zu verstehen, dass ich eigentlich nicht mehr spielen wollte. Das verstand der Herr von Univations gar nicht. Auch aus Mangel an Begründungen meinerseits (für das Fernbleiben von besagtem Training) erklärte er mir, dass ich doch einfach mal hingehen, mit seinem „Kumpel“ ein paar Worte wechseln und mich dann entscheiden sollte… Nach Rücksprache mit meiner Frau bewegte ich mich dann eines Montagabends in Richtung Volksbank Arena. Ein vertauter Geruch umwehte mich im Kabinentrakt, bestens bekannte Gesprächsfetzen flogen mir entgegen und plötzlich fand ich mich in einer geliehenen Ausrüstung wieder, auf dem Weg zur Eisfläche…

Einfach wieder Freude an dieser coolen Sportart!

Saale Bulls 1b

Die Zeit und die Trainingseinheiten verstrichen, die Scoutractor GmbH bekam ihre notwendige Zwischenförderung nicht und ich besann mich wieder auf meine ursprüngliche Gewerbetätigkeit. Heute, im Jahr 2011, habe ich einige sehr gute neue Kunden gewonnen (ein paar nicht zuletzt durch den Einstieg bei der zweiten Mannschaft der Saale Bulls) und mutierte zum Teamchef der ESV Halle e.V. „Saale Bulls 1b“. Ich hätte im Leben nicht gedacht, dass die Trainerarbeit soviel Spaß machen kann. Es geht nicht mehr um so viel wie früher, aber dafür macht es wieder richtig Freude. Das beste an der gegenwärtigen Konstellation ist, dass ich sogar als Teamchef (da ich, wie ein paar namhafte Vertreter im Fußball, keinen Trainerschein besitze, muss diese Bezeichnung herhalten) mitspielen „darf“. Es ist ein echt schönes Gefühl Menschen etwas beizubringen, wenn diese im Gegenzug dankbar sind und dies auch sagen und zeigen! Wie erfolgreich die erste Saison des „Aufsteigers“ Saale Bulls 1b in der Regionalliga verläuft, wird sich zeigen. Bereut habe ich die Rückkehr zur coolsten(!) Mannschaftssportart der Welt bis heute nicht. Allerdings habe ich eine Sache ziemlich deutlich beigebracht bekommen:

Sag niemals nie!

Euer

Manuel Hiemer


Über Manuel Hiemer

Vizepräsident Landeseissportverband Sachsen-Anhalt; Vorstand Eis- und Sportverein Halle (Saale) e.V.; Inhaber M Solutionis (Online Marketing Agentur); ehem. Eishockeyspieler (EHC München, Dragodiles Bad Aibling, EV Landsberg, Star Bulls Rosenheim, Bemidji State Beavers, Silver Bay Mariners, Sportbund DJK Rosenheim)

2 Responses to “Der Hockey Blog – Sag niemals nie”

  1. Marius sagt:

    Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt;)

  2. Manuel Hiemer sagt:

    Und drittens sind Eishockeyspieler halt alle irgendwie bekloppt :-))

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