Der Hockey Blog – Die Zeit der Rebellionen

… läuft jetzt schon eine ganze Weile!

Egal ob man die Revolution in Ägypten oder den Umsturz in Libyen nimmt, in beide Fällen wurde sehr oft von der „Facebook-Revolution“ oder der „Social Media Rebellion“ gesprochen. Das ist grundlegend nicht falsch, lenkt aber etwas vom Kern der Sache ab, der Rebellion an sich. Wie kam es in den beiden Ländern zur Revolte? Banal gesagt, hatte das Volk ganz einfach genug von der Ausbeutung, Ignoranz und Willkür des diktatorischen Regimes. Tiefer betrachtet waren die Umstände, Hintergründe und Rahmenbedingungen in beiden Fällen natürlich unterschiedlich. Der größte gemeinsame Nenner war aber doch der, dass sich Interessensgruppen verbündeten und zur Wehr setzten. Im alten Jahrtausend gestalteten sich derartige Vorhaben sehr schwierig, umfangreich und organisatorisch aufwendig (das „wie“ möchte ich jetzt hier nicht erläutern). Das ist der riesige und dramatische Unterschied zu den 10er Jahren dieses Jahrtausends. Die neuen Medien, sozialen Netzwerke, Social Media, web2.0 Kanäle, oder wie man es auch immer nennen mag, sind eine extreme Erleichterung hinsichtlich Kommunikation und Organisation von Interessensgruppen. Diese Erleichterung ist es, die einer Rebellion im Hier und Jetzt soviel Kraft und Geschwindigkeit verleiht. „Gemacht“ werden Revolutionen immer noch von den Menschen selbst! Beides mussten die altmodischen, völlig trendresistenten Führungseliten in beiden Ländern sehr schmerzhaft lernen. Eigentlich haben sie es überhaupt nicht „gelernt“, sondern sind mit geistigen Scheuklappen untergegangen (im wahrsten Sinne des Wortes).

Was hat das mit Eishockey zu tun?

Mögt Ihr euch jetzt fragen. Das ist eigentlich ganz einfach. In der deutschen Eishockeywelt konnte man jüngst die ersten „Vorwehen“ einer Rebellion erkennen. Einer Rebellion der Fans! Der größte gemeinsame Nenner der Fanrevolte mit obigen Beispielen ist folgender: Interessensgruppen vereinigen sich gegen die Ausbeutung, Ignoranz und Willkür der Führungselite. Vielleicht sieht man die Ausbeutung nicht direkt auf Anhieb. Ignoranz ist nicht flächendeckend vorhanden, hat aber doch teilweise zerstörerische Ausmaße angenommen. Und die Willkür…? Ja, über die Willkür der Führungseliten im deutschen Eishockey könnte man ein Wiki anlegen! Laßt uns also alle drei Aspekte kurz beleuchten:

Ausbeutung

 

Warum spreche ich davon, dass deutsche Eishockeyfans ausgebeutet werden? Dazu sollte grundlegend erklärt werden, wen man als „Fans“ sehen sollte. Denn es sind bei Leibe nicht nur die Menschen, welche Woche für Woche, in Vereinsfarben gehüllt, die Fantribünen besetzen. Fans sind alle diejenigen, die sich für die Sportart Eishockey begeistern. Das schließt reine Fernsehzuschauer, Stadion-Laufkundschaft, Leser und vor allem auch die geldgebenden Mäzene mit ein. Genau diese werden sehr oft ausgeklammert, wenn man von Fans spricht. Aber seien wir doch mal ehrlich! Jeder große Gesellschafter hiesiger Clubs ist Fan, egal ob Herr Papenburg in Hannover oder Familie Hopp in Mannheim. Alle sind sie Fans. Und alle werden ausgebeutet. Alle investieren sie, je nach verfügbarem Kapital, für die individuellen Verhältnisse viel Geld in ihr Hobby. Für die meisten ist Eishockey sogar sehr viel mehr als nur Hobby. Es ist ihr Leben! Und genau diese Tatsache wird sehr oft eiskalt ausgenützt und zum Ausbeuten benutzt. Steckt ein Verein in der Krise, sammeln die Fans ihre letzten Heller zusammen und spenden sie dem Verein. Der Manager, Sportdirektor oder Geschäftsführer beteiligt sich so gut wie immer mit keinem einzigen Cent! Ganz im Gegenteil. Im Rahmen meines Projektes „Scoutractor“ machte ich vielerorts die Erfahrung, dass kein Vereinmitarbeiter sich auch nur geringfügig finanziell an neuen Projekten beteiligt oder miteinbringt! Bei den Fans, im Sinne meiner obigen Definition, wird aber kräftig eingefordert und abkassiert. Das ist in meinen Augen Ausbeutung.

Ignoranz

 

Braucht ihr wirklich noch Beispiele für die Ignoranz der Eishockey Führungseliten? Na, das „Krasseste“ bringe ich jetzt hier einfach mal. Es gab einmal, vor geraumer Zeit die Fanaktion „Pro Aufstieg“ (war auch hier schon Teil eines Beitrages), die so dermaßen von den Vereinen ignoriert wurde, dass sämtliche Versuche, den Aufstieg wieder einzuführen im Keim erstickt wurden. Man ignorierte die Wünsche der Fans ganz einfach. Nach einigen Jahren des Streites zwischen DEL und ESBG räumte die DEL dann dem 2.Liga-Meister ein Aufstiegsrecht ein, da auf Grund von Insolvenzen die Anzahl der Ligaclubs auf 13 Teams gefallen war. Die DEL brauchte also wieder Clubs. Gleichzeitig wurde aber auch das Limit der Liga auf 16 Teams festgesetzt. Der Haken an der Geschichte war, dass die DEL gleichzeitig keinen Absteiger vorsah. Ein branchenfremder, „unbelasteter“ Mensch würde sich da wohl am Kopf kratzen, sehr verwirrt dreinblicken und sich denken: „Da stimmt doch was nicht“! Wieder gingen die Fans auf die Barrikaden und forderten einen richtigen Auf- und Abstieg. Die Deutsche Eishockey Liga reagierte erstmals mit einem Relegationsangebot, welches erstaunlicher Weise von der ESBG abgelehnt wurde und zum Ergebnis hatte, dass Auf- und Abstieg ab der Saison 2008/09 wieder komplett abgeschafft wurde! Über Jahre hinweg wurden als wichtige Belange der Fans mit absoluter Ignoranz beantwortet. Jeder Verein betrachtete immer nur seine ganz eigene Situation, alle anderen samt ihrer Vorschläge und Lösungsansätze wurden total ignoriert und damit wurde auch die Lust der Allgemeinheit auf Eishockey zerstört.

Willkür

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Zum Thema Willkür dient wohl die Umzugsaktion der Barons nach Hamburg als bestes Beispiel. Die, durch die Hedos-Pleite, schwer gebeutelten Münchener Eishockeyfans erhielten mit dem Rückzug der Landshut Cannibals und dem Kauf der Lizenz durch Herrn Anschütz aus Amerika urplötzlich einen neuen Erstliagverein. Völlig willkürlich und ohne große Umfragen zu machen, verkaufte Landshut seine Lizenz an einen amerikanischen Megabaulöwen, welcher unter anderem die Lizenzen der Los Angeles Kings und der Manchester Monarchs (darum München Barons) innehatte. Wie gesagt, gefragt wurde dabei niemand. Sehr zögerlich und langsam gewöhnte sich München samt Umland an seinen neuen Spitzenclub. Fangemeinde und Aufmerksamkeit stiegen mit dem Gewinn der Meisterschaft im ersten Jahr und vielen in den Folgejahren wieder. Das Warum und Wieso war nebensächlich. Dem Kern des Problems wollte niemand, vor allem Herr Anschütz und Herr Capla nicht, so richtig erarbeiten. Die bessere, smartere und willkürlichere Lösung lag doch viel näher. Nachdem der Bau einer neuen Arena in München keinen Zuspruch fand, machte Herr Anschütz Nägel mit Köpfen und zog mit der kompletten Franchise, wie man einen Club neudeutsch so nennt, nach Hamburg um. Der Bau der jetzigen O2 World Hamburg hat sich sicherlich gelohnt für Herrn Anschütz. Die Willkür dieser Vorgänge tritt sämtliche Fan- und Vereinsstrukturen in Europa mit Füßen. Die deutsche Gegenvariante wird mit dem EHC München gerade relativ erfolgreich realisiert. Trotz diverser Lichtblicke wie dem EHC München ist die Willkür sämtlicher Führungseliten des deutschen Eishockeys auf ein Maß angewachsen, welches das Faß für die Fans wohl zum Überlaufen gebracht hat.

 

 

Die Rebellion der Fans

 

folgt dem aktuellen Trend in bester Social Media Manier! Man hat sich vereinigt. Die EEHF und die Fanbeauftragten aller Ligen (DEL, Bundesliga und Oberligen) haben sich via Facebook Gruppe ausgetauscht, ausgesprochen und tatsächlich vereinigt. Eigentlich ist ein Verein wie die EEHF an sich schon eine verbündete Interessensgruppe. Verbündet mit den anderen stieg der Einfluß noch mehr. Und dann griffen die Protagonisten der Rebellion zu den gleichen Media-Kanälen wie die Revolutionäre in Ägypten und Libyen. Via Twitter, Facebook-Profilen, Facebook-Fanpages, Facebook-Gruppen, eigener Webseite, Blogbeiträgen und -kooperationen (an denen ich mich gerne beteiligte) machte die neu gewachsene Interessensgruppe derart Druck, dass alle Verantwortlichen (die vielleicht aus den, in der Einleitung beschriebenen, Geschehnissen lernten) einlenkten und einem Treffen, dem mittlerweile berühmten „runden Tisch“ im Rahmen des Deutschland-Cups 2011, mit allen Vertretern zustimmten. Unter der Regie des Deutschen Eishockey-Bundes kam diese Runde nicht nur zusammen, sondern auch zu erfreulichen Zwischenergebnissen.

Der eigentliche Sieger des Deutschland-Cups: Die Fans

Den größten Triumph in dieser Runde feierten eindeutig die rebellischen Fans. Mit der Einstellung angereist, sich nicht unterkriegen und kleinreden zu lassen, sorgten sie für derart Zündstoff, dass sich DEB, DEL und ESBG untereinander intensivst aufrieben und die Fans schon fast als Vermittler zwischen den Fronten agieren mussten. Das Ergebnis: Die Führungseliten des deutschen Eishockeys haben ihre Hosen so sehr runtergelassen, dass nur noch sehr wenig Spielraum für Ausbeutung, Ignoranz und Willkür bleibt. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Dieses „Hosenrunterlassen“ vor den Fanvertretern hat alle Beteiligten sympatischer, greifbarer und akzeptierbarer gemacht. Es hat wahrscheinlich sogar die absolute Eskalation im Deutschen Eishockey, und damit die Anfangs erwähnte Revolution, verhindert. Wer zwischen den Zeilen des Protokolls, das erstaunlicher Weise tatsächlich veröffentlicht wurde, liest, der kann erkennen, wieviel die Fanvertreter im Gegensatz zu früheren Aktionen in München erreicht haben. Jeder der Anwesenden hat der breiten Öffentlichkeit zugesagt, sich in Garmisch-Partenkirchen zur U20 Weltmeisterschaft (Kleiner Hieb gegen unsere Fernsehsender: Die, im Gegensatz zu allen U-Meisterschaften im Fußball, NICHT in vollem Maße auf Eurosport übertragen wird) wieder zu treffen. Wer da nicht kommt, hat einen medialen Imageschaden zu verkraften, der wahrscheinlich gar nicht verkraftet werden kann. Diesen Teilerfolg gilt es für die Interessensgruppe FANS jetzt (nicht nur medial) auszuschlachten und im weiteren Verlauf für die nächsten Schritte zu nutzen. Als nächste Schritte sollten da kommen:

Der tatsächliche Abschluss des Kooperationsvertrages

Die Verzahnung von DEL und ESBG

Die Implementierung des DEB Sportdirektors

Eishockey auch hier als das Wintersportspektakel etablieren, das es bei Olympia schon seit Jahren ist:

Der Main-Event mit dem Finale als krönendem Abschluss jeder Olympiade

So viele Nationen haben das bereits für sich erkannt (Schweiz, USA, Kanada sowieso, die Skandinavier, usw.) und zuletzt sorgte Russlands „Macher“ Vladimir Putin sogar für ein internationales Eishockey-Spektakel! Lieber Herr Bundespräsident Christain Wulff, setzen sie ein Zeichen für die nächste Winterolympiadenbewerbung Deutschlands, schmeißen sie sich in eine Eishockey-Ausrüstung und beweisen damit, dass Deutschland die Olympiade wirklich haben will und Sie ein echter Mann sind (Vorsicht: Nicht zu ernst nehmen)!

Euer Co-Rebelle

Manuel

Über Manuel Hiemer

Vizepräsident Landeseissportverband Sachsen-Anhalt; Vorstand Eis- und Sportverein Halle (Saale) e.V.; Inhaber M Solutionis (Online Marketing Agentur); ehem. Eishockeyspieler (EHC München, Dragodiles Bad Aibling, EV Landsberg, Star Bulls Rosenheim, Bemidji State Beavers, Silver Bay Mariners, Sportbund DJK Rosenheim)

2 Responses to “Der Hockey Blog – Die Zeit der Rebellionen”

  1. Niki sagt:

    Hallo Manu,

    ich denke jeder Verein sollte einfach an der Basis arbeiten und in seinem Umfeld die Schulen, Politiker und Kindergarten aktiv zum Eissport bewegen durch gemeinsame Aktionen und Kooperationen. Auch die inaktiven Fans (also die nicht selber spielen) können Ihre Vereine unterstützen. Durch eine breite Nachwuchsarbeit kommt das Interesse von ganz alleine. Also mehr Nachwuchsspieler umso mehr Interesse in der Gesellschaft. Putin macht das ja auch nur weil in Russland viele Eishockeyfans gibt. Sonst würde er das auch nicht tun.

    Aber viele Fans wollen auch nur die Profis unterstützen. Initiativen für den Nachwuchs werden immer nur gegen einen Gegenwert erbracht wie Mitspracherecht und ständiges Schulterklopfen (obwohl ich da prinzipiell nix dagegen habe wenn die fans sich dann auch richtig informieren). Den Profis wird sogar Geld gespendet um Sie zu bezahlen und man erwartet als Fan nur Zuschauen zu dürfen. Warum auch nicht im nachwuchs wo das Geld viel sinnvoller angelegt wäre. Ein Unternehmen sollte sich seine Gehälter schon selber leisten können.

    Unsere Fans sollten sich vielleicht an die öffentlich rechtlichen Wenden. Ist ja nicht so dass der DEB da nichts tut. Nur die Intendanten wollen es einfach nicht zeigen. Also anstatt den DEB zu belagern ist wohl es sinnvoller seine Medienlandschaft anzusprechen. Dafür zahlen wir ja auch GEZ. Sonst machen wir das selbe wie ESBG und DEB und DEL – sich den Peter gegenseitig zuschieben. 20.000 Fanmails für Eishockey im Fernsehen verursachen viel mehr als wenn der Franz eine Anfrage bei der ARD stellt.

    Da ich mit dem DEB sehr viel zu tun habe, machen die alles was bei der Personaldecke in Hinsicht auf Marketing möglich ist. Mehr als je zuvor. Aber mit 2 Personen und 1 Praktikanten ist das nicht schiffbar. Und die DEL könnte endlich auf den Spatz in der Hand verzichten und die DEL aktiv in den öffentlich rechtlichen bringen. mehr geld von den Sponsoren durch erhöhte Vermarktungsmöglichkeiten. 1000.000 Zuschauer in der ARD sind halt dann doch besser als 20.000 Zuschauer bei SKY. Und über die indirekten Vermarktungsrechte könnte die DEL auch wieder mehr Geld machen. Also die Akutere die wa machen können müssen für sich selbst was tun. Der DEB als verband ist hier nicht der Ansprechpartner für große Veränderungen. Fussball ist auch erst durch Manager wie Hoeneß und Netzer groß geworden. Der Verband hat nur profitiert. Aber Hoeneß wäre immer diesen Weg gegangen – ohne zu warten was andere machen. Schau die Weihwasser an mit Ihren Aktione – hockeytown. Macht was in eurer Region.

    Niki – vom HockeyDOME Team

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