Eishockeykarriere und dann…

Die aktuelle Nachricht vom Wechsel des Manuel Klinge

hat mich dazu bewegt wieder einmal zu schreiben. Warum gerade diese Nachricht, mögen sich da einige fragen. Das hat zwei Gründe. Zum einen wurde ich zu genau dem gleichen Schritt vor 13 Jahren getrieben und zum anderen weist sie auf die Lage hin, in der sich Eishockey als Profisportart befindet. Der direkte Kommentar zur Nachricht von Tom Kasper spricht mir dabei aus der Seele: „ich finde es spricht nicht für die attraktivität einer liga, wenn sich ein nationalspieler mit 26 gezwungen sieht die sportliche karriere hinten anzustellen. (wenn es nicht gerade außergewöhnliche persönliche gründe hat)“. Ich gehe sogar weiter und sage, dass es ein Armutszeugnis für eine Profiliga ist, wenn es sich ein Nationalspieler finanziell nicht leisten kann, sein Studium nach Karriereende in Angriff zu nehmen. Vor kurzem hat mit Patrik Reimer, ebenfalls Nationalspieler, ein weiterer Profispieler seine Beweggründe für eine Ausbildung veröffentlicht.

Ist es das Spielergehalt oder der Mangel an Perspektive?

Man würde es sich zu einfach machen, wenn man einfach nur schimpft, dass das doch nicht sein kann. Es gilt vielmehr zu klären, was die Spieler dazu treibt, sehr frühzeitig an die Zeit nach dem Sport zu denken. Ein vorrangiger Grund ist sicherlich das gegenwärtige Einkommen. Bei Spielergehältern zwischen 45.000 und 80.000 Euro netto pro Saison (Saison bedeutet hier 8-9 Monate) kann sich jeder Außenstehende bestimmt vorstellen, dass nach zehn bis fünfzehn Jahren Profidasein nicht genug Geld übrig ist, um sorglos durch den Alltag zu spazieren. Immerhin kann man mit 35 oder 38 Jahren schlecht Rente beantragen. Und das will auch niemand. Zu groß ist im besten Alter der Tatendrang. Man will noch was bewegen,  etwas (er)schaffen. Natürlich ist das als Trainer oder Sportdirektor möglich. Doch auch dafür benötigt man eine Ausbildung. Trainerscheine werden üblicherweise von Vereinen gezahlt. Allerdings hat im Hire&Fire Zeitalter auch das Interesse am Beruf Trainer abgenommen. Dies ist schon alleine daran zu erkennen, dass diverse Trainer nur zu oft innerhalb weniger Ligen „umherwechseln“. Allein aus Mangel an Alternativen werden häufig (gerade entlassene) Trainer von anderen Clubs wieder eingestellt. Es gibt nur wenige ambitionierte „Nachwuchstrainer“ mit echten Perspektiven und Chancen. Sportdirektoren sitzen im Gegensatz dazu eher „sicher im Sattel“. Allerdings schrecken viele Spieler davor zurück, sich diesem Job zu stellen. Denn Sportdirektor im Eishockey ist nicht Sportdirektor wie man es z.B. vom Fußball kennt. Dort kümmert sich ein Sportdirektor tatsächlich nur um Sportliches. Im Eishockey hingegen wird jeder Sportdirektor mit den Aufgaben eines Managers beladen. Ohne Grundwissen muss man sich um rechtl. (Spielerverträge, Mietverträge, etc.) und betriebswirtschaftliche (Budget- bzw. Etatplanung, Jahresabschlüsse, etc.) Aspekte kümmern. Mängel kommen erst bei Betriebsprüfungen oder im Lizenzierungsverfahren zu Tage. Nötige Zusatzqualifikationen sind die meisten Clubs nicht bereit zu finanzieren. Irgendjemand im Vorstand prüft schon die Kassen… Allerdings oft erst wenn es zu spät ist. Andere Positionen im Verein (z.B. Verwaltung, Kommunikation oder Ticketing) sind entweder unterirdisch bezahlt (irgendein „Fan“ arbeitet immer für schlechtes Geld) oder extern besetzt, um Leistung nur auf Abruf bezahlen zu müssen. Was bleibt dann noch an internen Arbeitsplätzen in einem Verein?

Branchenfremder Berufseinstieg mit 38, mission impossible?

Die Erkenntnis für viele Eishockeyspieler ist die, dass man nach Karriereende einen Berufseinstieg in eine fremde Branche ohne anrechenbare Berufserfahrung vor sich hat. Wenn man diese Situation vermeiden will, muss man frühzeitig an der Qualifikation arbeiten. Die Möglichkeiten, die z.B. Patrik Reimer in Düsseldorf geboten werden, hat nicht jeder. Eine Lehre mit der Profikarriere zu verbinden ist fast unmöglich. Besser sieht es da mit Schule und Studium aus. Studiumbedingte Praktika können in der Sommerpause vorgenommen werden. Das Ende des Studiums kann man hinauszögern, allerdings nicht grenzenlos. Spätestens mit 30 Jahren „droht“ dann der Abschluss. Was passiert in fünf Jahren weiterer sportlicher Karriere mit dem Diplom oder Examen? Es wird für Unternehmen, die Absolventen einstellen, wertlos. In der heutigen Zeit wählen viele Firmen ihre Nachwuchskräfte bereits während der Praktika oder Diplomarbeiten aus. Der Übergang erfolgt oft schleichend vom Werkstudenten zum Abteilungsleiter. Wo bleibt da ein Eishockeyspieler, der noch fünf Jahre spielen will und kann? Auf der Strecke! Es sei denn er wechselt in untere Klassen. Bereits in der 2.Bundesliga sind Halbprofis nicht unbedingt eine Seltenheit. Zwar klettert man firmenintern die Karriereleiter deutlich langsamer, aber man hat ja auch ein doppeltes Einkommen. Und was noch wichtiger ist. Man sammelt Berufserfahrung und der Arbeitgeber lernt die ungeheure Belastbarkeit von Profisportlern kennen und schätzen. Ein Karriereschub nach Karriereende ist also durchaus zu erwarten. Mission possible heißt es demnach nur für unterklassige Halbprofis.

Die Erkenntnis aus 15 Jahren Erfahrung…

Das Modell Wintersport ist richtungsweisend. Was meine ich damit? Ich spiele damit auf das Konzept der Förderung für Skifahrer, Langläufer, Biathleten oder Rennrodler an. Da die Einkommensverhältnisse dieser Sportler ähnlich denen der Eishockeyspieler sind, üben fast alle Athleten nebenbei eine Tätigkeit bei der Bundeswehr, der Polizei oder dem ehemaligen Bundesgrenzschutz, dem BAG, aus. Vereinzelt arbeiten auch manche bei Sportartikelfirmen oder Sponsoren des Rennzirkus in der Sommerpause. Die höchste Deutsche Liga, die DEL, befindet sich gerade auf dem Scheideweg. Schafft man es zur echten Profiliga zu avancieren oder geht es eher in Richtung absolutes Schattendasein. Was auch passiert, es wird den Lebensweg, den Spieler in Zukunft gehen werden (müssen), prägen. Denn es muss eine Entwicklung in eine der beiden Richtungen geben. Entweder entwickeln die Clubs richtige Infrastrukturen, in denen ehemalige Spieler auch wirkliche Perspektiven haben, oder man ermöglicht den Spielern ein Halbprofitum, im Rahmen dessen sie sich für den späteren Arbeitsmarkt fit machen können.

In der derzeitigen Situation ist der Schritt von Manuel Klinge völlig nachvollziehbar und auch kein Einzelfall.  Ich würde, für meinen Teil, jeden Spieler in der DEL dazu motivieren, den gleichen Schritt wie Manuel Klinge zu gehen. Vielleicht verstehen die „Macher“ der DEL erst dann wieviel die Uhr geschlagen hat, wenn der Liga die Spieler ausgehen, weil sie lieber Halbprofis mit Perspektive sein wollen, als perspektivlose Profis.  Vermutlich würde die Attraktivität der DEL nicht im Geringsten darunter leiden, eine semiprofessionelle Liga zu sein. Sehr wahrscheinlich würde es in Deutschland niemandem auffallen und den wenigen Fans  wäre es egal. Für die Spieler allerdings steht das Leben nach dem Sport auf dem Spiel…

Grüße von einem ehemaligen Karriereabbrecher,

Euer Manuel Hiemer

Über Manuel Hiemer

Vizepräsident Landeseissportverband Sachsen-Anhalt; Vorstand Eis- und Sportverein Halle (Saale) e.V.; Inhaber M Solutionis (Online Marketing Agentur); ehem. Eishockeyspieler (EHC München, Dragodiles Bad Aibling, EV Landsberg, Star Bulls Rosenheim, Bemidji State Beavers, Silver Bay Mariners, Sportbund DJK Rosenheim)

5 Responses to “Eishockeykarriere und dann…”

  1. Marc sagt:

    Hey Manuel ! Klasse kommentar,der den Nagel auf den Kopf trifft.Es grüsst ein Fan der Kassel Huskies

  2. Andreas sagt:

    Klasse Beitrag ! 🙂

  3. Nor Friedmann sagt:

    @ Manuel Hiemer:

    Als Antwort auf dieses Gejammere auf hohem Niveau und die damit einhergehende Kritik an der nicht für die Zeit nach der Spielerkarriere zuständige DEL:

    1. Gehälter von 45.000 bis 80.000 Euro für neun Monate erzielen die meisten Arbeitnehmer nicht mal brutto für ein ganzes Jahr! Aber klar, wer meint – etwas plakativ ausgedrückt – sich pro Jahr einen Porsche leisten zu müssen, bei dem reicht es natürlich nicht, auch noch Geld für die Zwischenzeit zur Orientierung und Weiterbildung zwischen Karriereende im Eishockey und anderweitigem Berufseinstieg zurückzulegen. Wer über mindestens circa acht Jahre das eineinhalb- bis dreifache Gehalt erzielt, von dem darf erwartet werden, dass er auch die schwierige Zeit des Umbruchs – auch wenn’s schwer fällt wieder von vorn zu beginnen nach dem man auf einem Höhepunkt war – bewältigt. Dafür verfügen die Ex-Spieler über viele hilfreiche Kontakte und ein Image, über das der Durchschnittsbürger genauso wenig verfügt, wenn ihm ggf eine Umschulung in der Mitte des Berufslebens ins Haus steht.

    2. Die Bedingungen sind doch von vornherein klar: Im Fußball hat man nach einer üblichen Spielerkarriere ausgesorgt. In der Formel 1 reichen noch weniger erfolgreiche Jahre als Fahrer, um sich danach zur Ruhe setzen zu können. In Sportarten wie Eishockey, Handball und Basketball erzielt man eben weit geringere Einnahmen (die aber – siehe oben – immer noch weit über dem Durchschnittsverdienst liegen).

    3. Wer seinen beruflichen Werdegang falsch plant, der braucht sich nicht zu wundern, dass es nicht funktioniert.

    Aber das ist das Problem einiger deutscher Eishockeyspieler:
    Hauptsache jammern und den schwarzen Peter anderen Leuten zuschieben!

    NEIN, die Eishockeyunternehmen sind weder ein Selbstbedienungsladen für deutsche Eishockeyspieler, noch deren Rentenanstalt!
    Und NEIN, auch der Staat als Arbeitgeber vieler Wintersportler kann nicht auch noch alle Eishockey-, Handball-, Tischtennis- oder Sonstwasspieler und Synchronschwimmerinnen bei Bundeswehr, Bundespolizei oder anderen Stellen unterbringen.

    Wann legen gewisse deutsche (Ex-)Eishockeyspieler ihre Vollkaskovorstellungen ab?

  4. Andreas sagt:

    @ Friedmann

    Der Kommentar oben ist absolut berechtigt. In den USA oder Kanada haben Spieler nach ihrer Karriere die Möglichkeit College oder High Schoolmannschaften zu trainieren. Dies geht in Deutschland nur ehrenamtlich über die Bühne, bzw. für kleines Geld. Desweiteren haben alle Spieler in den USA oder Kanada mindestens den bachelor in der Tasche.

    natürlich gehört gesundes, sauberes wirtschaften im Profisport zu den dazu!

    Viele ehemalige Spieler aus Nordamerika arbeiten in ihren Herkunftsorten bei der Stadt oder ähnlichem, da man Stolz ist das diese Personen was erreicht haben. Davon sind wir in Deutschland meilenweit von entfernt!

  5. admin sagt:

    Hallo an die Verfasser der Kommentare. Wie es eben üblich ist, gibt es immer (mindestens) zwei Meinungen zu einem Thema. Zunächst mal ein Dankeschön für das Lob. Das tut immer gut. Die Gedanken von Nor Friedmann sind kritisch, aber auch für mich nachvollziehbar. Die Gehaltsspanne ist natürlich immer noch recht ordentlich und natürlich ist ein Eishockeyverein kein Selbstbedienungsladen. Es gibt tatsächlich noch genug Spieler, die da nicht die richtige Relation sehen. Ich muss aber auch in ein paar Punkten widersprechen. Bei all dem Geld das im Eishockey immer noch verdient wird ist es dennoch so, dass man für einen Zeitrum von min. 5 Jahren nach der Karriere nicht wirklich genug weglegen kann, um davon ordentlich zu leben und zusätzlich eine Weiterbildung oder Umschulung zu bezahlen. Im Gegensatz zu einem Normalbürger müssen Eishockeyspieler derartige Transferzahlungen selber leisten. Es ist auch so, dass die Bedingungen keinesfalls klar sind. Inner halb eines Zeitraums von 15 Jahren kann sich die Situation im Eishockey sehr stark verändern. In den späten 80ern und frühen 90ern gab es im Eishockey einen Boom. Wer damals seine Karriere begann, konnte nicht ahnen, dass er 10 Jahre später für nicht mal die Hälfte an Jahresgehalt die Schlittschuhe schnüren muss. Doch selbst Mitte der 90er bis Anfang des Jahrtausends war die Gehaltsstruktur noch deutlich besser als jetzt. Ich glaube (und merke es teilweise schon), dass viele Spieler die Vollkaskovorstellung gerade ablegen. Wer das allerdings tut findet keinen Platz mehr in den Profikadern. Und das sollte sich ändern. Ich sage ja nicht, dass ein DEL Verein seine Spieler selbst ausbilden oder ihnen das Studium finanzieren muss, sondern derartiges neben dem Sport her ermöglichen sollte. Doch da sind vor allem viele Trainer derzeit noch sehr unkooperativ.
    Die Relation muss stimmen. Das ist Status Quo nicht der Fall!

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